Wenn KI zu viel kann, aber zu wenig versteht

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«Schere, Bruder.» – Die Jugendsprache. Schon wieder anders!

Sprache war nie nur zum Reden da. Sie war immer auch Stilmittel, Gruppencode, Protest, Performance. Wer spricht, positioniert sich. Und niemand tut das so radikal wie junge Menschen.

Was früher auf dem Pausenhof mit «geil» und «krass» begann, passiert heute global – in Kommentarspalten, Insta-Reels, Discord-Servern und TikTok-Sounds. Eine ganz neue Art, Sprache zu formen: aus dem Bauch heraus, situativ, visuell – und vor allem wahnsinnig schnell!

Die Jugendsprache 2025 ist kein Dialekt mehr – sie ist ein digitaler Pidgin aus Anglizismen, Arabismen, Dialektschnipseln, Meme-Referenzen und ironischen Brechungen. Und ja: Auch in der Schweiz ist das längst Alltag.

Wir haben früher schon hingehört. Jetzt liefern wir ein Update. Denn auch Sprache scrollt weiter. Höchste Zeit also für einen kleinen Reality-Check: Wie viel TikTok steckt in Ihrem aktiven Wortschatz? Und keine Sorge – wenn’s Ihnen zu viel wird: einfach ✂️ sagen.


Eine inspirierende Lektüre wünscht Ihnen

Ihre Marie-Christine Waldburger

TikTok ist das neue Wörterbuch

Sprache entsteht heute nicht im Klassenzimmer oder im Duden-Ausschuss, sondern in einem Kommentar unter einem Video, das jemand in Zürich um 2 Uhr nachts gepostet hat.

Ein Teenager in Dietikon schreibt «schere», zwei Tage später sagen es Menschen in Hamburg, Lausanne und Südtirol. Der Algorithmus kennt keine Dialektgrenzen. Und schon gar keine linguistische Zurückhaltung.

Beispiel:

  • Schere – ursprünglich wohl aus einem Emoji entstanden (✂️), bedeutet heute: «Ich bin raus», «Stopp», «Das ist zu viel für mich» oder «Ich geb’s zu».
  • Delulu – Kurzform von «delusional», ironische Selbstbeschreibung für Wunschdenken.
  • Aura – keine esoterische Wolke, sondern ein Werturteil über Ausstrahlung. «Plus 100 Aura» ist das neue «Hat Style».
  • Fanum-Tax – wer ungefragt vom Essen eines anderen nimmt. (Kulturell völlig verwerflich, aber sprachlich sehr elegant.)
  • Talahon – aus der arabischen TikTok-Szene, meint einen übertriebenen, selbstverliebten Machotyp.

Das ist keine Sprache mehr – das ist Popkultur auf der Tonspur. Die Sprecher*innen sind nicht mehr nur Teil eines Diskurses – sondern eines Formats.

Sprache als Memetik: kopieren, zitieren, brechen

Die neue Jugendsprache funktioniert nicht linear. Sie hat weder klaren Satzbau noch Wörterbuch oder Grammatik. Sie ist reaktiv und memetisch. Ein Video, ein Ton, ein Satzfetzen – und plötzlich entsteht eine Bedeutung, die ohne Kontext völlig absurd wirkt. Das Meme ist das neue Lexikon. Was früher auf Schulhöfen als geflüsterte Sprüche oder in zerknitterten Heften kursierte, lebt heute in Screenshots, Memes und Kommentaren weiter.

Und das Erstaunliche: Die Bedeutung liegt nicht im Wort selbst – sondern in der Geste, der Situation, der Ironie dahinter. So wird Sprache performativ und ironisch codiert.

Jugendsprache = Abgrenzung

Dass junge Menschen ihre eigene Sprache formen, ist kein neues Phänomen. Neu ist aber, wie sichtbar, schnell und fluide das geschieht. Jugendsprache war immer ein Schutzraum – gegen Normen, Erwachsene und das Gefühl, nicht gesehen zu werden.

Heute ist sie mehr: ein Identitätsmarker, ein Safe Space, ein Tool zur Selbstinszenierung und ein Mittel zur Abgrenzung von alten Codes. Wenn jemand «Digger, das ist kein Meme» schreibt, dann meint er nicht nur, dass es ernst ist – er stellt auch klar: «Du verstehst mich nur, wenn du meine Welt kennst.»

Und in der Schweiz? Wird’s noch spannender

Die Schweiz bringt ihren ganz eigenen Sprachmix ins Spiel. Denn neben Hochdeutsch und TikTok-Slang gibt es da noch diese ganz spezifischen Codes, die nur in Zürich, Bern oder Lausanne verstanden werden:

  • «Güxle» (ZH): kurz einen Blick auf jemanden werfen – flirtend oder neugierig.
  • «Lädele» (BE): bummeln, shoppen – kein Mensch in Deutschland versteht’s.
  • «Tüüf» (BE): tief, aber auch melancholisch – je nach Betonung.
  • «Chill mal dini Basis» (BE): eine legendäre Redewendung, irgendwo zwischen «runterkommen» und «dich mal nicht so wichtig nehmen».
  • «Je me suis tapé la honte» (Romandie): französischer Klassiker unter Jugendlichen – bedeutet: «Ich hab mich übel blamiert».
  • «Bo» (TI): aus dem Italienischen, Ausdruck des Nichtwissens. Wird in der Jugend oft ironisch oder überbetont verwendet: «Ma boooo, che stress!».

In der Schweiz entsteht so eine vielschichtige Mehrsprachigkeits-Jugendsprache, die Französisch, Italienisch, Dialekt und Englisch nahtlos vermischt. Die Codes sind manchmal geografisch verortet, oft aber schon so algorithmisch durchmischt, dass ein TikTok-Kommentar aus Lausanne dieselbe Sprache spricht wie einer aus Berlin – nur mit anderem Emoji am Ende.

Was macht das mit der Sprache?

Es löst sie nicht auf – es verwandelt sie. Die Regeln von gestern gelten nicht mehr. Aber es entstehen neue.
Jugendsprache 2025 ist:

  • visuell – oft nicht ausgesprochen, sondern gelesen, kommentiert, geteilt.
  • multilingual – Arabisch, Englisch, Schweizerdeutsch, Emoji – alles vermischt sich.
  • ironisch – selten ist das Gesagte das Gemeinte.
  • vergänglich – Trends kommen, gehen und werden recycelt.
  • exklusiv – wer nicht auf TikTok ist, versteht nur die Hälfte – und genau das ist Teil des Reizes.

Sprache ist damit nicht ärmer, sondern reicher. Nicht kaputt, sondern im Wandel. Die Jugend dekonstruiert Sprache und tut das nicht aus Respektlosigkeit – sondern weil sie genau weiss, wie stark sie ist, wenn sie damit etwas Eigenes schafft.

Zum Schluss – eine stille Beobachtung:

Vielleicht verstehen wir nicht alles. Das müssen wir auch nicht. Aber wer sich die Zeit nimmt, zuzuhören – in die Kommentare zu tauchen, in den Tonfall, in die Ironie –, der merkt: Hier spricht nicht jemand falsch. Hier spricht jemand anders. Neu. Clever. Schnell.

Und manchmal reicht ein «Schere», um klarzumachen: «Ich komm nicht mit – aber ich gönn euch den Spass.»

Real für das: das Wörterbuch, das Sie brauchen

Quiz zum Thema

Sprache verändert sich. Das wissen Sie jetzt. Aber wie gut kommen Sie mit der Jugendsprache zurecht? Höchste Zeit für ein kleines «Schere, Bruder»-Sprachquiz. Und mit ein bisschen Glück gibt’s sogar etwas zu gewinnen: Wir verlosen drei Apple AirTags unter allen, die mitraten.

Warum gerade ein AirTag? Weil man in der heutigen Sprache schneller verloren gehen kann, als man «Talahon» über die Lippen bringt. Also: reinklicken, mitraten, wiederfinden!

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Sprachquiz Jugendsprache

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1. Warum wird TikTok im Newsletter als neues Wörterbuch beschrieben?

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2. Was ist gemeint mit: «Das war kein Meme»?

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3. Welches dieser Merkmale gehört laut Newsletter nicht zur Jugendsprache 2025?

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4. Was beschreibt der Begriff «Fanum-Tax»?

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5. Was bedeutet «Schere» im aktuellen Sprachgebrauch der Jugend?

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