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Wie Sprachprofiler Kriminelle überführen
Wann kommen Sprachprofiler zum Einsatz und wie ist die Arbeitsweise in der forensischen Linguistik?
Sprachprofiler kommen immer dann zum Einsatz, wenn Täterinnen oder Täter schriftlich vorgehen und Unternehmen oder Privatpersonen anonym angegriffen werden. Herkömmliche Ermittlungsansätze werden somit um einen wesentlichen Ansatz – die forensische Linguistik – erweitert. Dabei werden die Texte auf sprachliche Muster untersucht, um die Täterin oder den Täter zu überführen. Im Idealfall liegen Vergleichstexte von möglichen Verdächtigen vor, auf deren Grundlage der Sprachprofiler ein vergleichendes Gutachten zur Autorenbestimmung anfertigt. Aber auch ohne mögliche Verdächtige oder Vergleichstexte ist es möglich, ein Täterprofil anhand sprachlicher Merkmale zu erstellen. Hierfür werden Texte in ihre einzelnen sprachlichen Bausteine zerlegt, die Aufschluss über Merkmale wie
- Alter
- Geschlecht
- Herkunft
- Bildungsgrad
- Persönlichkeitsstruktur
liefern sollen. Was zunächst nach nicht viel klingt, um ein klares Profil eines Kriminellen zu erstellen, ist für Sprachprofiler sehr hilfreich. Verwendet ein Täter beispielsweise viele Füllwörter, deutet dies auf Unsicherheiten hin. Die Ausdrucksweise liefert Hinweise auf den Bildungsgrad und Häufungen von «ich / mir / mein» lassen Rückschlüsse auf das Motiv und den Blickwinkel des Täters zu. Sprachliche Details wie Dialekte oder die Verwendung von Umgangssprache lassen manchmal Rückschlüsse auf die Herkunft zu. Ein Beispiel: Im südlichen deutschsprachigen Raum geht man zum Metzger (in Österreich auch zum Fleischhacker oder Fleischhauer), während man im mittleren und östlichen Teil Deutschlands zum Fleischer geht und von Hannover bis Hamburg zum Schlachter. Solche Begriffe mit Lokalkolorit werden meistens entsprechend der Gewohnheiten verwendet und geben Hinweise auf die Herkunftsregion eines Täters. Genau wie bestimmte grammatische Konstruktionen auch.
«Du haben letzte Chance»
Allerdings besteht auch die Möglichkeit, dass sich ein Täter bewusst verstellt. So versuchen deutsche Muttersprachlerinnen und Muttersprachler gelegentlich, einen ausländischen Hintergrund vorzutäuschen und schreiben dann in «gebrochenem» Deutsch. Bei der Formulierung der konkreten Forderungen findet sich dann jedoch oftmals eine Diskrepanz und der Täter ist auf einmal dazu in der Lage, komplexere Haupt- und Nebensatzkonstruktionen in besserem Deutsch zu formulieren.
Für Sprachprofiler ist es daher ein grosser Vorteil, dass wir unsere Sprache zum grössten Teil unbewusst formulieren. Bei der Wortwahl, der Aktiv- und Passivkonstruktionen, der Interpunktion, den Füllwörtern, den Anreden sowie bei der Satz- und Textbildung folgen wir also unbewussten und tief verankerten Mustern.
Auch in Bezug auf das Geschlecht eines Täters lassen sich anhand der Sprache einige Rückschlüsse ziehen. Auch wenn sich die Wissenschaft darüber streitet, ob es möglich ist, einen anonymen Text klar einem Mann oder einer Frau zuzuordnen, gibt es zumindest einige Indikatoren. So berichten Sprachprofiler, dass Frauen häufiger persönlich angreifend und verletzend formulieren. Zudem sollen Frauen eher zu Serien tendieren, versenden also immer wieder anonyme Texte an denselben Adressaten.
Persönlichkeitstypen anhand der Sprache identifizieren
Wenn es darum geht, bestimmte Persönlichkeitstypen wie «Macher», «Kontakter», «Analytiker» und «Visionäre» zu identifizieren, liefert das Sprachverhalten ebenfalls deutliche Hinweise. Sprachprofiler beschreiben diese wie folgt:
Macher gelten als sehr erfolgs-, sach-, leistungs- und handlungsorientiert und sprechen daher vor allem in kurzen prägnanten Sätzen, um ihre rationale Persönlichkeit zu unterstreichen.
Kontakter, die als empathisch, an Menschen und an Beziehungen interessiert wahrgenommen werden, sprechen emotionaler, auf Augenhöhe und zeigen Interesse am Menschen.
Analytiker sprechen nüchtern, sachlich, strukturiert und verwenden häufiger Zahlen, Daten und Fakten. Sie brauchen Sicherheit, um sich wohlzufühlen, denken logisch und in Zusammenhängen.
Visionäre kommunizieren lebhaft, umschreibend und sprechen eher in Bildern.
Tipps für die private und die berufliche Kommunikation
Um diese Erkenntnisse über Sprache nun in Ihre berufliche oder private Kommunikation zu integrieren, müssen Sie weder Kriminalistin noch Sprachprofiler sein. In Bezug auf das Erkennen von Täuschungen oder Lügen in Texten und in der Sprache ist sich die Wissenschaft zwar uneinig. Einige Indizien gibt es aber dennoch.
Erhalten Sie beispielsweise ein E-Mail von einem Bekannten, der für gewöhnlich kurz und knapp formuliert, aber plötzlich sehr ausschweifend schreibt, könnte das ein Hinweis darauf sein, dass etwas nicht stimmt. Mit dieser sogenannten «Überinformation» könnte der Verfasser versuchen, die wesentlichen Informationen zu vertuschen oder von Fakten abzulenken.
Ein weiteres Indiz, dass ein Verfasser etwas verbergen oder sich von etwas distanzieren möchte, ist der Wechsel vom persönlichen «du» oder «wir» ins unpersönliche «man». Auch rhetorische Umschreibungen wie «eigentlich», «ein bisschen» oder «möglicherweise» deuten darauf hin, dass sich der Verfasser nur vage ausdrücken möchte.
In der direkten Kommunikation ist es übrigens auch möglich, die Kommunikation zu verbessern, indem man auf sprachliche Nuancen, auf Formulierungen und Schlüsselwörter seines Gegenübers achtet. Denn: Greift man diese im Gespräch selbst auf und verwendet sie, kann dies Vertrauen schaffen.